15
Okt
2011

ein Stück deutsche Geschichte

Nach unserem Taufgespräch gestern Abend haben wir es uns auf der Couch gemütlich gemacht und den Fernseher angeschmissen. Und dann begann ein Vorspann von einem Film, der mich die halbe Nacht gefesselt hat. Der B.aader M.einhof K.omplex.
Ich muss dazu sagen, das ich geschichtliche Bücher, Biografien mag. Ich hab über Heinrich VIII gelesen (der ja "gerne" mal seine Ehefrauen, wenn er sie los werden wollte, hinrichten ließ), Sissis Schwester (über Sissi wird so viel geschrieben, ihre Familie hingegen wurde nicht wirklich "beachtet") oder über die Ehefrauen der N.azis (über die man ja auch nicht so viel zu hören bekommen hat). Also mich interessiert Geschichte schon.
Ich kann den Film gar nicht wirklich beschreiben. Er hat mich gefesselt und fasziniert. Nicht die Taten an sich. Aber sie müssen für ihre Überzeugung und Ideale, sie müssen richtig dran geglaubt haben. Anders kann ich mir das sonst gar nicht vorstellen, das man so kaltblütig ist, das man seine Kinder zurück lässt, das man Menschen die eigentlich nichts damit zu tun haben, nur zur falschen Zeit am falschen Ort sind, das man sie einfach so erschießt.
Zwischendrin sagte ich zu Herrn K. "Das ist doch krank!" Irgendwie fesselt mich dieses Thema besonders, weil es halt so "nah" ist. Ich kann mich noch gut an die Bilder im TV vom entführten H.M.Sch.leyer erinnern. Wobei ich nicht sagen kann, ob es die Originalbilder im Jahr 1977 waren oder später dann (es wurde halt immer wieder mal im TV gezeigt). Schließlich war ich da erst 6.
Was mir am Film nicht so "gefallen" hat. Es war fast wie Popcorn-Kino. Ich meine das bei Bruce Willis rumgeballert wird und Gebäude in die Luft fliegen, okay. Das ist fiktiv. Hier ist es wahr. Teile des Films waren eine heillose Anreihung von Morden, Schießereien, Attentaten. Es wurde manchmal nicht mal klar, wer da grade auf der Strecke blieb. Und dann wurde A. B.aader auch noch von Moritz Bleibtreu gespielt. Ein toller Schauspieler, keine Frage. Er hat das auch (in meinen Augen - ich kenne ja die Bücher noch nicht) gut gemacht. Aber er ist eben Moritz Bleibtreu. Für mich ein totaler Sympathieträger. Egal was er spielt. Der ganze Film war hochkarätig besetzt und vielleicht war das ein Fehler. Mit unbekannten Schauspielern hätte man sich vielleicht eher auf die handelnden Personen ansich "eingelassen".
Also ich glaube jetzt ist es wirklich an der Zeit für mich, mir die Bücher zu Gemüte zu führen. Sie stehn ja schon lang auf meiner Wunschliste
Darklady - 15. Okt, 13:27

Ich bin eine alte 68igerin, okay, war damals noch ein Teenager, aber weiß, wie sich ein Gummiknüppel anfühlt. Um die Geschichte zu verstehen, muss man einfach wissen, wie wir uns damals gefühlt haben. Diese satten, fetten, selbstgerechten Bürger, die meinten, dass man die Vergangenheit doch endlich ruhen lassen sollte. Kollektivschuld, davon wollte man nichts wissen. Nazis, Juden- und Verfolgung Andersdenkender, Konzentrationslager etc. sollten totgeschwiegen werden, man wollte konsumieren und bloß nix mit der Vergangenheit und Politik zu tun haben. An den Gerichten urteilten alte Nazi-Richter, an den Schulen und Universitäten unterrichteten alte Nazilehrer und Professoren. Sätze wie "Unter Hitler war nicht alles schlecht", "Die sollten ins Arbeitslager" oder "Mit denen hätte Hitler kurzen Prozess gemacht" waren Standardfloskeln der "Alten". Man hatte angepasst, sauber, brav und ordentlich zu sein und man war absolut Obrigkeitsgläubig. Die jungen Leute hatten aber Fragen, die niemand beantworten wollte. Alle Erwachsenen hatten plötzlich nichts gewusst, waren niemals in der NSDAP, hatten Hitler niemals zugejubelt. Das machte uns wütend und aus dieser Stimmung hat sich die 68. Bewegung erhoben und letztendlich ist dann daraus die Bader&Meinhoff-Gruppe geworden. Sie waren voller Hass auf die Gesellschaft und ja, ich konnte und kann diesen Hass bis heute sehr gut nachvollziehen, weil ich auch mit einer ständigen Wut auf diese feisten Leute herumlief, die meinten andere, die anders dachten und lebten, reglementieren zu können. Ich weigere mich bis heute für die Springerpresse zu schreiben, jedenfalls für bestimmte Erzeugnisse aus diesem Haus und mir könntest du eher die Finger abhacken, als dass ich eine Bild-Zeitung anfasse, geschweige denn, sie lese. Diese sattgefressenen Wirtschaftswunderjahre waren für junge Leute, die mehr wollten als Geld, Auto, Hochzeit, Kind und Haus, die reine Hölle.
Was den Film angeht, so hat er versucht, einigermaßen authentisch zu sein. Aber einige Fakten hat man weggelassen und natürlich dafür gesorgt, dass die Gruppe möglichst nicht zu sympathisch rüberkommt. Sie waren radikal, ja, aber sie hatten Ideale - jedenfalls zu Beginn der Bewegung. Was andere nachher daraus gemacht haben, war dann leider richtig kriminell.

knusperflocke - 15. Okt, 16:00

Siehst du, und auch das kommt im Film zu wenig rüber. Davon ist bei mir nichts angekommen. Ja, es wurden Ausschnitte vom Besuch des Schahs, der Erschießung Ohnesorgs usw gezeigt. Aber mehr auch nicht. Ich hoffe einfach die Bücher die es gibt, geben mir mehr Aufschluss, weil es mich echt interessieren würde. Ich bin ein Mensch der nicht mal jemanden was kleines Böses tun könnte. Geschweige denn etwas schlimmeres. (lach nicht, aber ich versuche mir nicht vorzustellen, wenn ich ne Ameise oder ein Silberfischchen zerdrücke, das ich mieses Karma sammeln könnte -> Ohjeh, ich glaub ich les zuviel *grins*). Aber wie kann ein Mensch so werden? Was muss er erlebt haben? Wie groß müssen Enttäuschungen gewesen sein? Wie war das damalige Umfeld? Einfach das warum.
Natürlich konnte man alles nicht im Detail im Film schildern, sonst hätte ich nicht nur bis halb 3 sondern bis heute morgen vorm Fernsehn gesessen.
sie müssen jedenfalls sehr schlau gewesen sein. Ansonsten kann ich mir nicht vorstellen, das sie so weit gekommen wären. Ich hab mich heute Nacht nämlich zB gefragt, wie konnten sie sich zum gemeinsamen S.elbstmord verabreden, wo sie doch alle einzeln saßen. Ich weiß es jetzt wie es angeblich gewesen sein soll. Ich hab mich etwas übers Internet belesen. Aber wenn es so war ... ja dann müssen sie echt intelligent gewesen sein. Wobei wahrscheinlich gerade dieses letzte Kapitel wohl ein ewiges Mysterium bleiben wird, ähnlich der Ermordung Kennedys, dem Tod Barschels oder der Mondlandung.
Am besten wäre natürlich ein Gespräch mit jemanden der damals jung war. Der die Zeit hautnah miterlebt hat. Aber meine Eltern sind da die verkehrten Ansprechpartner, sowieso alle aus der ehemaligen DDR. Wir saßen da ja fast abgeschottet hinter unserem Zaun.

Übrigens, ich lese auch keine B.ild ;o)
Darklady - 15. Okt, 16:59

'#dann müssen sie echt intelligent gewesen sein#'... Sie stammten aus dem so genannten gut situierten Bildungsbürgertum. Väter waren Pfarrer, Professoren, Unternehmer etc.

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